Zukunftsorientierung
Bildung und Erziehung, wie sie üblicherweise und traditionell statt
finden, haben Probleme und machen Probleme.
Kein Wunder, dass sich immer wieder und an vielen Orten Leute auf den
Weg machen um nach Verbesserung
zu suchen.
Die beiden Begriffe Bildung und Erziehung beinhalten Steuerung von
Vorgängen in der menschlichen
Entwicklung durch Menschen, die zu Experten ernannt sind.
Traditionelle Schule scheint anzunehmen, dass kleine Menschen unvollständig,
hilflos, leer wie ein weißes
Blatt Papier seien.
Und nimmt sich vor, sie zu ergänzen durch Füllmaterial, ihnen
zu helfen durch Halt, Führung, Anleitung und
auf das weiße Blatt ein Bild aufzutragen nach altem Plan.
Also gibt es in der traditionellen Schule Pläne, jede Menge Verbote
als Verhaltensregeln und als Lehrverfahren
Manipulation und Inszenierung.
„Heute haben wir...“ „Wir kommen nun zum...“ „Ich
erkläre euch nun das...“
Erwachsene, die Kinder „zu ihrem Besten“ erziehen wollen, fühlen
sich getroffen, wenn ich das Verfahren
mit Belohnung und Strafe, mit Lob und Tadel Manipulation nenne
oder den „Unterrichtsablauf“ Inszenierung.
Ob sie annehmen, Entwicklung oder Lernen könne nicht statt finden,
wenn nicht angeschubst oder geführt wird?
Das Verfahren der traditionellen Schule gibt es schon so unendlich
lang, dass fast alle es mehr oder weniger für
eigentlich normal (mit Abweichungen) halten und sich schwer tun mit
der Vorstellung, Kinder könnten etwas
ganz von selber und miteinander lernen.
Beispiele wie die Gebärdensprache bei Gehörlosen (ich hab
fast ein Jahr an so einer Schule mit gearbeitet)
glauben viele nicht übertragbar auf das Lernen von Grundlagen
wie Lesen, Schreiben, Mathematik.
Gehörlose entwickeln weltweit ihre eigene Gebärdensprache.
Sie wird nicht gelehrt.
Kinder lernen sprechen, weil Kinder normalerweise sprechen lernen können.
Schließlich ist das ein übliches Kommunikationsverfahren
unter Menschen.
Sprechen können wurde nicht von irgendwelchen Experten erfunden.
Zeichen verstehen können und zur Kommunikation verwenden, ist
eine Weiterentwicklung der Sprache und kann
überall dort statt finden, wo es sich eben anbietet. Auf kleinen
Südseeinseln wurde keine Schrift entwickelt, weil
sie einfach überflüssig war. Irgendwelche Zeichen zu Markierungen
von Orten oder besonderen Zeiten gab es
sicher auch dort.
Zukunftsorientierung?
Weil sich heraus stellt, dass traditionelle Bildungsverfahren junge
Menschen manipulieren, also unfrei sein lassen
wollen und dass diese Verfahren keineswegs effektiv sind, also viel
zu viele Ausfälle haben und viel zu teuer sind,
muss schleunigst geklärt werden, wie Lernen bei Menschen wirklich
statt findet.
Kultusministerien dürfen sich nicht mit Kompromissen aufhalten
und langwierige vorsichtige Umbauten der
traditionellen Schullandschaft (ein ganz klein bisschen mehr Freiheit,
etwas mehr Selbstständigkeit...) und viele
weitere Aufgabenbereiche, bearbeitete Pläne, Schulversuche zu
vorhersehbaren Ergebnissen in die Wege leiten.
Das kostet nur mehr Geld und macht Beteiligte müde.
Es ist so leicht, Lerngelegenheiten zu jeder Erreichbarkeit zur Verfügung
zu stellen und Kinder, Jugendliche und
junge Erwachsene selbstständig und miteinander lernen und arbeiten
zu lassen. Was für eine Vielfalt wird entstehen.
So eine Schule sieht nicht mehr aus wie Andacht oder Vollzug, sondern
wie Parketthandel an der Börse, Expedition,
Labor oder ein Baum voller Spatzen.
Rolf Robischon |
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Leistung und Disziplin
Forderungen an die Schule
Auf den Schrecken der Pisa-Studie hin sollen Qualitätsstandards
festgelegt werden.
Von Kultusministern ist zu hören, der Unterricht müsse besser
werden.
Die Reaktionen wirken, als seien Fertigungsbetriebe verglichen worden.
Und in anderen Ländern gäbe es Betriebe die zwar etwas teurer,
dafür aber erheblich
qualitätsvoller in der Fertigung sind.
Leistung wird gefordert, als handele es sich um Motoren, die da verglichen
wurden.
Bei Disziplin fällt einem immerhin das Militär ein. Das sind
Menschen.
Wer Bildungsstandards fordert, muss auch annehmen, es gäbe Standardkinder.
Erschreckend sind die Hinweise auf die gnadenlose Trennung in Klassen,
die in
unserem Schulsystem statt findet. Auf die viel zu langen Verweildauern
in Ausbildungen.
Als habe Wissen, Kreativität oder Leistungsfähigkeit mit
der Länge von Unterricht zu tun.
In welchem Schulsystem Menschen glücklich werden können,
wird nicht ermittelt.
Was für Leistung und welche Disziplin sollte in Schulen wachsen
dürfen?
Etwas nachzumachen, auswendig zu lernen, viele Male zu „üben“
ist keine Leistung.
Es ist Mühe.
Leistung ist, etwas zu erfinden, zu entdecken, zu sehen, zu hören,
zu finden, herzustellen....
Disziplin ist nicht, still zu sitzen und zu zu hören, nach Vorschrift
einzuordnen, Aufträge
auszuführen (möglichst genau so wie der oder die Anweisende
das wünschte).
Das ist bloß Gehorsam.
Disziplin ist, sich bei der Suche nach Möglichkeiten auf den Weg
zu machen und
durch zu halten, sich fest zu beißen an Problemen, sich nicht
zu ducken, Schwierigkeiten
nicht auszuweichen, nicht einfach den leichtesten und kürzesten
Weg zu gehen, sich
nicht abhängig machen zu lassen von Bewertungen durch andere.
Na ja, das sind jetzt meine Beschreibungen von Disziplin und Leistung.
Rolf Robischon |
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Lernwege
Bei einer meiner Auseinandersetzungen mit vorgesetzten Behörden
verteidigte sich ein Schulamtsdirektor,
er könne doch nicht jeden Pfad, den ein Pionier durch den Urwald
bahne, zur öffentlichen Straße erklären.
Mein Rechtsanwalt lachte über den Vergleich Schule - Urwald.
Ich hörte heraus, dass er mich neue Wege gehen sah. Andere hörten
heraus, ich sei ein Querulant.
Eigene Wege gehen.
Das Wort „Lernen“ soll aus dem Indogermanischen stammen und bedeuten:
Seiner Spur folgen.
Lehrerinnen und Lehrer, die Unterricht planen, möchten, dass Kinder
einer ausgetretenen Spur folgen,
einem sicheren Weg, einem Ziel entgegen, das die Lehrkräfte natürlich
schon kennen.
Sie möchten Lernergebnisse vorher sagen können.
Und müssen feststellen, dass die Lernenden „driften“ (wie Edmund
Kösel das bezeichnet).
Sie bleiben nicht in der Spur,
brechen nach den Seiten aus, wechseln die Richtung, verharren, erreichen
das „Ziel“ nicht wie geplant.
Lehrkräfte erfinden Tricks. Sie verkürzen Tagestouren. Sie
manipulieren mit Drohungen und Lockmitteln.
Sie versuchen ausbrechende oder Richtung wechselnde Lernende
in Therapien abzuschieben.
Psychiatrische Einrichtungen für Kinder und Jugendliche in Deutschland
sind übervoll, jährlich bleiben
über 250 000 Kinder und Jugendliche sitzen und müssen in
andere Klassen, ein viel zu hoher Prozentsatz
muss die Bildungseinrichtungen ohne irgend einen „Abschluss“ verlassen.
Und wenn man Kinder und Jugendliche ihre eigenen Lernwege gehen ließe?
Es gibt so viele Richtungen, Möglichkeiten, Lernorte, Lerngelegenheiten.
Ich höre wieder: Aber man muss doch... aber man kann doch nicht...
Stimmt doch gar nicht.
Quand les maitres cesseront dénseigner,
les élèves pourront enfin apprendre.
Wenn die Meister aufhören zu lehren,
werden die Schüler endlich lernen können.
Montesquieu (1689 - 1755)
Rolf Robischon |
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„Unterricht“
Was geschieht da?
Unterricht findet statt als Vortrag, Vorstellung, Führung, Bilder-
oder Texterklärung, Inszenierung.
Bei Unterricht ist beabsichtigt, mehreren Lernenden gleichzeitig Wissen
über Zustände, Zusammenhänge,
Verfahren zu vermitteln. Bei Unterricht wird gern von „einführen“
gesprochen.
Nach dem Unterricht hat der oder die Lehrende die Vorstellung, das
vorgetragene Wissen sei übergegangen
auf die Zuhörenden und Zuschauenden.
Kontrollen belegen eigentlich immer wieder, dass das kaum der Fall
ist. Von einem Vortrag sind nur wenige
Redewendungen „hängen geblieben“, aus der Führung erinnert
man sich nur an einzelne Bilder,
das Verfahren
kann von den meisten nicht sicher nach vollzogen werden.
In Deutschland versucht man schon lange, diesem Missstand durch gezieltes
Training auf Überprüfungstests
abzuhelfen.
Es wird für den nächsten Test, die nächste Klassenarbeit
gepaukt. Lernen in Notwehr oder als Dressur.
Gelerntes wird immer noch als eine Art Kopfinhalt angesehen. Vor Jahrtausenden
spottete Parmenides
über diese Vorstellung und nach ihm taten das immer wieder Philosophen
oder Naturwissenschaftler.
„Unterricht“ als Vortrag, Führung, Vorstellung findet in Deutschland
in sicher sechzig bis achtzig Prozent
aller Schulstunden statt und ist ziemlich ineffektiv.
Also viel zu teuer.
Lehrkräfte sollten lernen, Kinder und Jugendliche selbstständig
und miteinander lernen zu lassen.
Und darauf vertrauen, dass Lernen so wirklich statt findet.
Rolf Robischon |
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Belohnung und Strafe
Lob und Tadel.
„Unterricht“ wird üblicherweise damit gesteuert.
Kinder und Jugendliche sollen „Orientierungshilfen“ bekommen.
In traditioneller Schule sind die Strafen schmerzlicher, bei „Kuschelpädagogik“
überwiegen die Belohnungen.
Wie viele Lehrkräfte und Eltern sind fest davon überzeugt,
dass Lernen ohne
Druck nur selten möglich sei?
Zuckerbrot und Peitsche.
Ich nenne es Bestechung und Unterwerfung.
Weil ich es so nenne, soll es mit meiner Arbeitsweise nichts zu tun
haben.
Lernen Kinder, wenn sie keine Belohnung dafür erwarten können?
Ohne Preis kein Fleiß?
Lernen sie, weil sie sonst mit Strafen oder Nachteilen rechnen müssen?
„Was soll nur aus dir werden?“
Unendlich viele Jugendliche lassen sich auf die „Tauschwertpädagogik“
ein. Pauken,
um eine gute Note zu bekommen,
die Bedingung ist für eine Versetzung, einen „Abschluss“ oder
die es möglich macht,
ein ungeliebtes Fach abzuwählen.
Sie können von sich sagen, sie seien „gut in Mathematik, in Englisch..
gewesen.
Ein früherer Bundeskanzler sagte von sich, er sei gut in Hölderlin
gewesen.
Tauschwertpädagogik hat das Prinzip: Was muss ich tun und was krieg
ich dafür?
Ob sich nach Pisa daran etwas ändern wird?
Orientieren kann man sich nur selber.
Gleichgewicht finden kann man nur selber.
Rolf Robischon |
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Lehrerfragen – Kinderfragen
Warum fragen Lehrkräfte in der Schule? Warum fragen Kinder in
der Schule?
Lehrer fragen, um zu prüfen, ob ihr „Unterricht“ bei der Kundschaft
wirklich angekommen ist.
Ich hab davon gehört, dass das nicht immer der Fall sei.
„Ich hab euch allen eben etwas mitgeteilt. Kannst du mir sagen, was
das war?“
„Gestern hatten wir.... Wer weiß noch wie das ging?“
Aus den richtigen oder annähernden Antworten werden Bewertungen
(mündliche Mitarbeit) berechnet.
Warum fragen Kinder in der Schule?
In meiner eigenen Schulzeit, die schon sehr lange zurück liegt,
fragten Kinder höchstens um Erlaubnis,
aufs Klo gehen zu dürfen. Stellte ein Kind zu seiner Arbeit oder
zum Unterricht Fragen, lachten alle
und der Lehrer oder die Lehrerin fühlte sich gestört oder
unterbrochen.
Kinder fragen, weil sie etwas wissen wollen.
Für mich als Lehrer ist es das Beste, was passieren kann. Kinder
wollen von mir etwas wissen.
Kinder wollen für ihre Arbeit etwas wissen.
Weil ich direkt und kurz antworte, fragen die Kinder wieder und wieder.
Sie rufen mir ihre Fragen zu: Wie viel ist noch mal neun plus neun?
Achtzehn.
Wie geht das G in Schreibschrift? Wie schreibt man Brasilien? Wie schreibt
man heute?
Zu welchem Baum gehört dies Blatt? Zum Ahorn. Ist dreimal sieben
einundzwanzig? Ja.
Und so weiter...
Fragen nach Schreibweisen beantworte ich an der rechten Seitentafel.
Zahlen sage ich ohne Umweg sofort.
Allmählich sind immer mehr Fragen einfach mit „Ja“ zu beantworten.
Bei keiner Frage lacht irgend jemand. Immer häufiger wissen auch
Kinder Antworten und springen
von selber für mich ein. Nach einer Weile werde ich fragende Kinder
auf andere verweisen, wobei ich
mehrere Möglichkeiten nennen will. Nicht alle Kinder verstehen
sich mit allen bestens.
Vor Jahren wurde mir in einem Bericht von Schulräten mein Verfahren
übel genommen: „Er verweist
fragende Kinder auf andere und zieht sich damit aus der Verantwortung.“
Sie hätten mir auch übel genommen, wenn sie gehört hätten
dass ich die Frage nach 8 + 7 kurzerhand
mit 15 beantworte. Sie hätten mich darauf hingewiesen, dass ich
einem Kind zeigen müsse, wie es
die Antwort selber finden könne: Schau, da nimmst du hier 8 Steckwürfel
und legst daneben 7 Steckwürfel.
Von den 7 kannst du 2 auf die 8 stecken. Dann hast du zehn. Und wie
viele sind es nun?
Das Kind würde mich nicht mehr sehr oft fragen. In vielen Schulklassen
wird durchaus nicht soviel gefragt,
wie an einem Schulvormittag bei mir. Das weiß ich sicher.
Das ständige Rufen und Reden der Kinder geht Lehrkräften
auf die Nerven. Bei mir im Klassenzimmer
geht es zu wie früher an der Börse im Parketthandel. Es wird
intensiv gearbeitet mit Kindergeräuschen dazu.
Und mir geht es gut dabei. Die Kinder wollen immer mehr wissen.
Rolf Robischon |
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Anders denken ?
Wer einmal schwer krank war, richtig in Lebensgefahr, denkt anders
über sein
Leben.
Wer Not erlebt hat, bedrohlich, geht anders mit seinem Leben um.
Für Schule, einen Teil des Lebens aller Kinder und Jugendlichen
in unserem Land,
gibt es Aufforderungen, Appelle, sie neu zu denken, sie neu zu erfinden...
Ist sie in Not?
Und was geschieht?
Die vorhandene Schule wird überarbeitet, gestrafft, umgeordnet.
Soweit die finanziellen Möglichkeiten reichen.
Immer noch wird in Unterricht, Klassen, Lernstoff, Lehrstoff, Beurteilung
und
Bewertung gedacht. Schulen haben Lehrgänge die zu Abschlüssen
führen. In
Prüfungen kann man durchfallen. Klassen müssen wiederholt
werden. Lehrstoff ist
eingeteilt in Themen, die "dran" sind oder waren.
Weil alle Menschen hierzulande selber Schule erlebt haben, können
sie mitreden.
Diejenigen die maßgeblich sind, waren in der Regel in traditioneller
Schule
erfolgreich und halten die Abläufe und die Grundsätze für
durchaus bewährt.
Ich selber habe zweimal Lehrerausbildung erfahren, einmal im Lehramtsstudium
und einmal im Diplomstudium. Wenn ich davon berichte wie ich seit 14
bis 15
Jahren (von etwa 38 Dienstjahren) Lernzeiten in der Schule eröffne
und Lernen
freigebe, höre ich Einwände von Lehrkräften: Aber man
muss doch vorgeben...
aber man kann doch nicht laufen lassen...
Ich schreibe die Begrüßung an die Tafel, stelle an der Wanduhr
ein wie viel Zeit zur
Verfügung steht und stelle Lerngelegenheiten zur Verfügung,
an der Tafel, auf
Tischen, in den Schränken, an den Wänden, in Nachschlagewerken,
in Computern,
vor den Fenstern, vor den Türen.
Das geht nicht? Und ob.
Ich lasse mir dabei zuschauen. |
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weiter
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